Heinrich-Suso-Gymnasium

Neuhauser Str. 1 78464 Konstanz

Olaus Magnus, Historia de gentibus septentrionalibus/ Olaj Magnj historien, Der Mittnächtigen Länder… [Hb 62X]

Vor fast 500 Jahren beschrieb Olaus Magnus, letzter Titularbischof von Uppsala, als erster die unbekannte Welt Nordeuropas. Seiner legendären Carta Marina von 1539 ließ er 16 Jahre später eine 22-bändige, mit Holzschnitten reich illustrierte, Historia de gentibus septentrionalibus oder „Beschreibung der Völker des Nordens“ folgen, die einen Kommentarband zur Carta Marina darstellt. Mit ihren zahlreichen Illustrationen, lebensechten Anekdoten und phantastischen Geschichten ist die Historia heute wie damals lohnende und amüsante Lektüre.

 Vor fast 500 Jahren beschrieb Olaus Magnus als erster die unbekannte Welt Nordeuropas. Olaus Magnus (1490-1557), eigentlich Olof Måsson, war ein katholischer Geistlicher, der seine Heimat Schweden verließ, als sie im Zuge der Reformation nach und nach protestantisch wurde und nach Danzig und später nach Rom ins Exil ging. Er wurde dort zum letzten Titularbischof von Uppsala ernannt, sollte allerdings nie nach Schweden zurückkehren. Magnus glaubte jedoch fest an die Rekatholisierung Schwedens und begann, als er feststellen musste dass der Hohe Norden in Rom wenig interessierte und fast vollständig unbekannt war, mit den Mitteln der Geographie dafür zu kämpfen. In jungen Jahren hatte er -als Gehilfe eines römischen Ablasshändlers- auf langen Reisen die abgelegenen Teile Schwedens und Norwegens erkundet und kannte sich daher bestens aus mit den Wegen, Flüssen und Städten seiner Heimat. Um die erworbenen Kenntnisse weiterzugeben und gleichzeitig auf die Bedeutung des nördlichen Europa für den rechten Glauben hinzuweisen, entwarf er in zwölfjähriger Arbeit eine große Karte, die zum ersten Mal verlässlich die Länder unter dem Polarkreis, die Meere und Inseln darstellte und an der sich alle großen Kartographen der Zeit, wie Gerhard Mercator, Abraham Ortelius oder Jakob Ziegler später orientierten.

WalDiese so genannte Carta Marina, die 1539 in Venedig gedruckt wurde, ist allerdings weit mehr als eine bloße Karte. Sie ist eine Enzyklopädie des gesamten damaligen Wissens über Skandinavien, voller Abbildungen der dort wohnenden Völker, ihrer Sitten und der historischen Begebenheiten, aber auch voller Seeungeheuer, Meerschlangen, Fabelwesen, und Naturwunder. Die legendäre Carta Marina war lange Zeit verschollen, so dass Zweifel an ihrer realen Existenz aufkamen, bis sie zufällig 1886 in der Hof- und Staatsbibliothek in München wieder auftauchte, heute sind weltweit zwei Exemplare bekannt.

16 Jahre später ließ Olaus Magnus seiner Karte eine 22-bändige mit Holzschnitten reich illustrierte Historia de gentibus septentrionalibus oder „Beschreibung der Völker des Nordens“ folgen, die einen Kommentarband zur Carta Marina darstellt. Diese fand in ganz Europa reißenden Absatz und wurde bald ins Deutsche, Französische, Italienische, Niederländische und ins Englische übersetzt. Die Suso-Bibliothek besitzt die leicht gekürzte deutsche Übersetzung der Historia von 1567, übersetzt von Johann Baptist Fickler, mit dem Titel Olaj Magnj historien, Der Mittnächtigen Länder: Von allerley Thun, Wesens, Condition, Sitten ... Warhafftige beschreibung, Deßgleichen auch von allerley ... Thieren ... / Auß selb eigner erfahrnuß ... beschryben durch ... Olavm Magnvm auß Gothien, die auch eine stark vereinfachte, aber der Carta Marina nachempfundene Faltkarte enthält, und eine lateinische Version von 1618.

Die „Beschreibung der Völker des Nordens“ machte Skandinavien zwar nicht wieder katholisch, informierte aber die gebildete Welt Europas erstmals umfassend über diese zuvor nur am Rande wahrgenommenen Länder. Mit ihren zahlreichen Illustrationen, lebensechten Anekdoten und phantastischen Geschichten ist die Historia heute wie damals lohnende und amüsante Lektüre.

OlausSo berichtet Olaus Magnus etwa von den klimatischen Bedingungen, insbesondere von den zwanzig Arten des Schnees und hält als erster unterschiedliche Formen von Schneekristallen im Bild fest. Auch auf die Verwendungsmöglichkeiten des Schnees geht er ein, von der Fortbewegung auf Skiern bis zu den Schneeballschlachten, die den Jugendlichen als Mutprobe und sportliche Ertüchtigung dienen. Dabei verteidigt eine Mannschaft ein selbstgebautes Schneebollwerk mit Schneebällen und bloßen Fäusten, während die andere es mit denselben Mitteln zu erobern versucht. Aber wehe dem, der Holzstückchen, Steine oder Eis in seine Schneebälle einbaut: er wird ausgezogen und ohne viel Federlesens ins eisige Wasser geworfen. Ähnlich raue Sitten sind, wie der Leser etwas später erfährt auch in der Seefahrt üblich, wo das über Bord werfen und Kielholen aufmüpfiger Matrosen noch zu den milderen Strafen zählt.

EisbärEinerseits weiß Magnus von Gespenstern und Waldfaunen, Hexen und Zauberern zu berichten, auch von Riesen und zahlreichen gefährlichen Meerungeheuern wie Riesensägefisch und Spritzwal, andererseits ist seine Beschreibung der nordischen Flora und Fauna die beste bis zu Linné.

FischeAuch Naturwunder wie Strudel oder Vulkane auf Island, dem „Tor zur Hölle“, werden ausführlich beschrieben, ebenso wie Mythen und Geschichte –Magnus erwähnt z.B. nicht ohne Stolz, dass die Runenschrift älter sei als das lateinische Alphabet und die Stadt Rom- oder die Kriegsführung. Besonders liebevoll schildert er aber Sitten und Gebräuche und den Alltag der verschiedenen nordischen Völker, beispielsweise ihre Kleidung und Ernährung.

So erfahren wir von der Trunksucht mancher Skandinavier und ihrer Vorliebe für gut gekühlte Getränke: „Als dann ziehen […] die guten Schlucker [das Eis]…herfür/legen es in Weyn oder Bier/darvon das getrancks vast kül wirt/ aber keinen Schnee thun sie darein/ es sey was getrancks es wölle/ von wegen seiner ungeleuterten Zähe/ darin mader verborgen seind/ wie die Schaben in dem Tuch.“ Oder von den Nordischen Käsesorten, deren Herstellung, ebenso wie das Kochen und „Kinderbutzen“, reine Frauensache ist und die große Delikatessen sind, vielleicht mit Ausnahme der Norwegischen, denn „die Helsing und Nortweden/ halten die faulen und würmigen Käß für die besten/ und wann sie die inwendig außgenagen haben/ so wirt die rinden außwendig also hart wie ein gehärtet Läder/ das sie deren in dem Krieg anstatt eines Schilts gebrauchen.“

Wie diese kleinen Kostproben zeigen sollen, ist Olaus Magnus’ Historia nicht nur ein Muss für jeden Historiker und Skandinavienfreund, sondern ein sehr unterhaltsames Buch, besonders zu empfehlen ist auch die 2006 erschienene kommentierte Neuauflage von Elena Balzamo und Reinhard Kaiser, der ein großer Abdruck der Carta Marina beiliegt.

 

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